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Varianzanalytischer F-Test[]

Aufgrund der Tatsache, dass die Daten für eine Varianzanalyse in der Regel aus einer Zufallsstichprobe stammen, können sich Unterschiede zwischen den Gruppenmittelwerten in der Stichprobe auch rein zufällig ergeben. Mit dem varianzanalytischen F-Test kann im Anschluss an die Streuungszerlegung überprüft werden, ob die gefundenen Effekte auch tatsächlich signifikant sind. Die Nullhypothese dieses Tests lautet: Sämtliche „wahren“ Mittelwerte der abhängigen Variablen aller Faktorstufen in der Grundgesamtheit sind identisch. Ist dies der Fall, so besteht zwischen den durch die Faktoren gebildeten Gruppen bezüglich der abhängigen Variablen keinerlei Unterschied – etwaige im Verlauf der Varianzanalyse gefundenen Mittelwertunterschiede wären dann nur ein Zufallsergebnis.

Wie wird der varianzanalytische F-Test durchgeführt? Zunächst einmal ist festzustellen, dass jede in der Stichprobe durch die Faktorstufen gebildeten Gruppen als eine eigene, unabhängige Stichprobe betrachtet werden kann, wenn es sich bei der Ausgangsstichprobe um eine Zufallsstichprobe handelt (zwischen den Gruppen kann es keine Überschneidungen geben). Auf der Grundlage dieser „Einzelstichproben“ kann nun, ausgehend von der oben dargestellten Varianzzerlegung, die Gesamtvarianz der Grundgesamtheit auf zwei verschiedene Arten geschätzt werden, nämlich mittels der Varianz innerhalb der Gruppen aus der Stichprobe oder mittels der Varianz zwischen den Gruppen aus der Stichprobe. Beide Stichprobenvarianzen führen zu zwei verschiedenen Schätzungen der „wahren“ Varianz in der Grundgesamtheit.

Gilt die Nullhypothese (sämtliche „wahren“ Mittelwerte der abhängigen Variablen aller Faktorstufen sind identisch), so müssten nun beide Schätzungen zum gleichen Ergebnis führen. Liegt dagegen auch in der Grundgesamtheit ein Einfluss des Faktors auf die abhängige Variable vor, so unterscheiden sich die Ergebnisse beider Schätzungen signifikant voneinander. Grund dafür ist, dass in diesem Fall die Einzelstichproben tatsächlich aus unterschiedlichen Grundgesamtheiten stammen, wenn man die abhängige Variable als Seperationskriterium verwenden würde. Die Varianz innerhalb der Gruppen ist dann in jedem Fall ein guter Schätzwert für die „wahre“ Varianz in der Grundgesamtheit, die Varianz zwischen den Gruppen ist dagegen nur dann ein guter Schätzwert, wenn kein Einfluss der Faktoren vorliegt. Sind also beide Varianzen in etwa gleich, so spricht dies für die Richtigkeit der Nullhypothese und damit eine Einflusslosigkeit des Faktors, unterscheiden sich die beiden Werte dagegen signifikant, so ist von einem Einfluss des Faktors auszugehen.

Die Prüfung der Nullhypothese erfolgt im Rahmen des varianzanalytischen F-Tests. Von wesentlicher Bedeutung ist hier der Quotient aus der Varianz zwischen den Gruppen und der Varianz innerhalb der Gruppen, der die Testgröße F bildet. Aus der bekannten F-Verteilung lässt sich unter Berücksichtigung der Freiheitsgrade für beide Varianzschätzungen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des berechneten F-Wertes unter Gültigkeit der Nullhypothese berechnen. Bei Gültigkeit der H0 ist ein F-Wert von nahe Eins zu erwarten, je weiter der Wert abweicht, desto unwahrscheinlicher ist es, dass in der Grundgesamtheit in der Tat kein Zusammenhang zwischen abhängiger Variable und Faktoren besteht.

SPSS gibt die Irrtumswahrscheinlichkeit des Tests aus, also die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der Marktforscher einen Fehler macht, wenn er die Nullhypothese verwirft. Ist diese Irrtumswahrscheinlichkeit niedrig (oft werden 0,05 bzw. 0,01 als kritische Werte verwendet), kann die Nullhypothese problemlos verworfen werden. Die Schlussfolgerung aus einer solchen Ablehnung der H0 lautet dann: Mindestens zwei der „wahren“ Faktorstufenmittelwerte sind mit großer Wahrscheinlichkeit nicht identisch, daher ist von einem Zusammenhang zwischen der abhängigen Variable und den Faktoren auszugehen, wobei noch nicht geklärt ist, welche der Faktoren bzw. Faktorstufen signifikant werden (dies muss im Anschluss an die Verwerfung der H0 im varianzanalytischen F-Test anhand einer Auswahl diverser Post-Hoc-Tests ermittelt werden).

Post-Hoc-Tests[]

Diese Überprüfung erfolgt im Rahmen der Post-Hoc-Tests, die sinnvollerweise nur dann durchgeführt werden sollten, wenn der F-Test zuvor mindestens einen signifikanten Mittelwertsunterschied ergeben hat. Handelt es sich bei der Varianzanalyse um eine ANOVA mit nur einem Faktor und lediglich zwei Faktorstufen, so kann bei signifikantem F-Test der Post-Hoc-Test vollständig übersprungen werden, da in einem solchen Fall nur ein einziger Mittelwertsunterschied vorliegt.

Post-Hoc-Tests ermöglichen also die Feststellung, welche der „wahren“ Faktorstufenmittelwerte sich nach einem signifikant gewordenen F-Test nun tatsächlich voneinander unterscheiden, bzw. aus welchen Faktorstufen gegebenenfalls homogene Untergruppen gebildet werden können. Dabei ist zwischen Paarvergleichstests und Spannweitentests zu unterscheiden. Ein **Paarvergleichstest** testet die Mittelwertdifferenzen aller möglichen Faktorstufenpaare auf Signifikanz, während mit einem **Spannweitentest** umgekehrt nach nicht signifikanten Mittelwertdifferenzen zur Bildung homogener Untergruppen gesucht wird. Üblicherweise kommen in der Varianzanalyse Paarvergleichstests zum Einsatz.

Der am häufigsten angewandte Post-Hoc-Test ist der sogenannte Scheffé-Test. Der Scheffé-Test ist vergleichsweise robust gegenüber Verletzungen seiner Voraussetzungen (insbesondere die der Linearität des Zusammenhang) und testet äußerst konservativ – der Marktforscher ist also mit den Ergebnissen des Scheffé-Tests sozusagen „auf der sicheren Seite“. Dieser Vorteil kann aber auch zum interpretatorischen Nachteil werden, da eine Situation auftreten kann, in welcher der Scheffé-Test keinen einzigen signifikanten Mittelwertsunterschied ausweist, obwohl zuvor ein F-Test ergeben hat, dass mit großer Wahrscheinlichkeit zwischen mindestens zwei Faktorstufenmittelwerten ein signifikanter Unterschied besteht. In solchen Fällen liegt es am Marktforscher, ob in der Folge ein weniger konservativer Post-Hoc-Test eingesetzt oder die Varianzanalyse als solche noch einmal in Frage gestellt wird.

Quellen[]

C. Reinboth: Multivariate Analyseverfahren in der Marktforschung, LuLu-Verlagsgruppe, Morrisville, 2006.

Fahrmeir, L., Künstler, R., Pigeot, I. & Tutz, G. (1999). Statistik. Der Weg zur Datenanalyse (2. Aufl.). Berlin: Springer.

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