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Bei der Faktorenanalyse handelt es sich um ein mutlivariates Analyseverfahren zur Aufdeckung komplexer Hintergrundvariablen.

Grundlagen[]

Für viele marktforscherische Fragestellungen ist die Untersuchung des Wirkungszusammenhangs zwischen einer abhängigen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen von Bedeutung. Existiert nur eine geringe Anzahl unabhängiger Variablen, so lassen sich problemlos Korrelationsanalysen oder Regressionsanalysen durchführen. Für eine Vielzahl von Fragestellungen ist dies ausreichend, beispielsweise für physikalische oder technische Untersuchungen. Existieren dagegen sehr viele unabhängige Variablen – und dies ist bei komplexen Untersuchungen aus dem Bereich der Markt- oder Sozialforschung keineswegs eine Seltenheit – dann wird die Auswertung wesentlich komplizierter. Dazu kommt, dass dem Marktforscher häufig verborgen bleibt, welche dieser vielen unabhängigen Variablen wirklich unabhängig voneinander zum Erklärungsmodell beitragen.

Die Faktorenanalyse wird eingesetzt, um aus einer großen Menge von Variablen voneinander unabhängige Beschreibungs- und Erklärungsfaktoren zu extrahieren. Dies führt nicht nur zu einer Vereinfachung bei der Auswertung durch die Reduktion der Variablen auf komplexere Hintergrundfaktoren, sondern erlaubt es dem Marktforscher auch, zunächst einmal wahllos eine große Menge an interessant erscheinenden Variablen zu erheben, und dann im Zuge der Faktorenanalyse alle irrelevanten Merkmale wieder auszuschließen. Die Faktorenanalyse gehört damit zu den strukturen-entdeckenden Verfahren – ihr Ziel ist also die Aufdeckung von Zusammenhängen zwischen verschiedenen Variablen. Eine vorausgehende Aufteilung der Variablen in abhängige und unabhängige Variablen ist daher bei diesem Verfahren überflüssig.

Die Faktorenanalyse kommt immer dann zum Einsatz, wenn die Bündelung von Variablen von methodischem Interesse ist. Dies ist insbesondere dann oft der Fall, wenn eine sehr große Anzahl von Merkmalen zu einer Fragestellung erhoben wurde. Hier stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die Vielzahl von Variablen auf einige wenige zentrale Faktoren zu reduzieren. Das Ziel ist also die Verdichtung von Informationen, bzw. die Identifikation erklärungsrelevanter Variablen.

Dazu ein Beispiel: Es lassen sich viele Variablen vorstellen, mit denen man die technische Beschaffenheit eines Autos abbilden könnte: PS-Zahl, Höchstgeschwindigkeit, maximale Beschleunigung, Drehzahl etc. Sicher wäre es praktisch, diese Vielzahl von Variablen auf wenige Hintergrundfaktoren zusammenfassen zu können, beispielsweise Leistung, Sicherheit und Preisklasse. Dies geschieht im Rahmen der Faktorenanalyse.

Explorative und konfirmatorische Faktorenanalyse[]

Es existieren zwei unterschiedliche Formen der Faktorenanalyse, die sich sowohl von der Zielsetzung als auch vom interpretatorischen Ansatz deutlich voneinander unterscheiden: explorative und konfirmatorische Faktorenanalyse.

Angenommen, zu Beginn einer Untersuchung liegen keinerlei Informationen über mögliche Zusammenhänge zwischen den betrachteten Variablen vor. Der Marktforscher, der sich auf die Suche nach Strukturen im Datensatz begibt, nutzt die Faktorenanalyse explorativ, als rein strukturen-entdeckendes Verfahren zur Hypothesengenerierung. Solche Faktorenanalysen werden als **explorative Faktorenanalysen** bezeichnet.

Ein anderer Fall liegt vor, wenn es zu Beginn einer Untersuchung zumindest bereits vage Vorstellungen über mögliche Zusammenhänge und Strukturen in den Daten gibt. Der Marktforscher vermutet das Vorhandensein verschiedener Faktoren und hat auch bereits eine Vorstellung darüber, welche der betrachteten Variablen möglicherweise welchem Faktor zugeordnet werden sollen. Die Faktorenanalyse dient in diesem Fall als Instrument zu Hypothesenüberprüfung. Solche Faktorenanalysen werden als **konfirmatorische Faktorenanalysen** bezeichnet.

Explorativ-konfirmatorisch

Zielkonflikt der Faktorenanalyse[]

Das Ziel der Faktorenanalyse ist, wie bereits dargestellt, die Reduktion vieler Variablen auf mehr oder weniger komplexe Hintergrundfaktoren. Dabei kommt es zu einem Zielkonflikt, der sich durch das komplette Verfahren zieht: Werden für die vielen Variablen nur wenige Hintergrundfaktoren gebildet oder „extrahiert“, wie der Fachterminus lautet, dann hat die Faktorenanalyse einen großen Beitrag zur Reduktion der Variablen und damit zur Vereinfachung des Sachverhalts erbracht. Die Reduktion vieler Variablen auf wenige Hintergrundfaktoren ist genau der Grund, aus dem die Faktorenanalyse überhaupt betrieben wird – je mehr Variablen sich also auf wenige Faktoren reduzieren lassen, umso größer ist der analytische Nutzen der Faktorenanalyse. Wie sich jeder versierte Marktforscher leicht vorstellen kann, bringt eine geringe Anzahl extrahierter Faktoren bei einer Vielzahl von Variablen aber auch einen großen Informationsverlust mit sich – je weniger Faktoren extrahiert werden, umso größer ist dieser Informationsverlust und damit auch die Unsicherheit des gesamten Modells.

Nun ließe sich dieser Informationsverlust natürlich verringern, indem einfach mehr Faktoren extrahiert werden – damit unterwandert man allerdings das eigentliche Ziel, nämlich die bereits angesprochene Reduktion und Vereinfachung. Im Extremfall könnte man aus 20 Variablen auch 20 Faktoren extrahieren und hätte einen Informationsverlust von Null – aber auch keine Vereinfachung und damit einen Nutzen von Null. Dieser Zielkonflikt – möglichst wenig Faktoren bei gleichzeitig möglichst geringem Informationsverlust zu extrahieren – prägt die Faktorenanalyse maßgeblich, und der Marktforscher gelangt im Verlauf jeder Faktorenanalyse an einen Punkt, an dem er die „goldene Mitte“ zwischen beiden Zielen finden und die Anzahl der zu extrahierenden Faktoren bestimmen muss.

Zielkonflikt-faktorenanalyse

Ablauf der Faktorenanalyse[]

Im ersten Schritt sind alle Variablen auszuwählen, die in die Faktorenanalyse eingehen sollen. Für alle selektierten Variablen wird anschließend die sogenannte Korrelationsmatrix erstellt. Der Korrelationsmatrix lässt sich entnehmen, welche Variablen in der weiteren Analyse unberücksichtigt bleiben sollen, da sie mit den übrigen Variablen nur minimal korrelieren und somit sicher keinem gemeinsamen Hintergrundfaktor zugeordnet werden können. Der zweite Schritt, die Faktorextraktion, wird auch als „Ziehen der Faktoren“ bezeichnet. Aufgrund verschiedener statistischer Kennzahlen kann in dieser Stufe entschieden werden, ob das gefundene Faktorenmodell geeignet ist, um die vorliegenden Variablen auf Hintergrundfaktoren zurückzuführen. Die im zweiten Schritt extrahierten Faktoren sind in der Regel nur sehr schwer oder auch gar nicht zu interpretieren. Um die Ergebnisinterpretation zu erleichtern, werden die Faktoren im dritten Schritt einer speziellen Transformation unterzogen, die als Faktorrotation bezeichnet wird. Im vierten und letzten Schritt wird ermittelt, welche Werte die untersuchten Variablen hinsichtlich der extrahierten und rotierten Faktoren annehmen. Dies dient der inhaltlichen Interpretation der Faktoren: Welche Variablen sind welchen Faktoren zuzuordnen und wie gut erklären die extrahierten Faktoren die betrachteten Variablen insgesamt?

Die Arbeitsschritte der Faktorenanalyse nach Ablauf geordnet und im Detail:

Faktorenanalyse-ablauf

Quellen[]

C. Reinboth: Multivariate Analyseverfahren in der Marktforschung, LuLu-Verlagsgruppe, Morrisville, 2006.

Fahrmeir, L., Künstler, R., Pigeot, I. & Tutz, G. (1999). Statistik. Der Weg zur Datenanalyse (2. Aufl.). Berlin: Springer.

Brosius, F. (2002). SPSS 11. Bonn: mitp-Verlag.

Götze, W., Deutschmann, C. & Link, H. (2002). Statistik. München: Oldenbourg.

Hair, J.F., Anderson, R.E., Tatham, R.L. & Black, W.C. (1998). Multivariate data analysis (5th ed.). Upper Saddle River, NJ: Prentice Hall.

Janssen, J. & Laatz, W. (2003). Statistische Analyse mit SPSS für Windows (4. Aufl.). Berlin: Springer.

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